Lorant Szathmary – Fotografie
Museum Altes Rathaus Leingarten, Sonntag, den 01.06.08, 11.00

Eröffnung Dr. Bernhard Stumpfhaus

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kunstfreunde und Freunde der Fotografie,

Es freut mich sehr, Sie im Namen des Museums Altes Rathaus Leingarten und des Künstlers Lorant Szathmary Ihnen die Ausstellung seiner Fotografien mit einigen Worten nahe bringen zu dürfen.

Der Ausstellungstitel nennt lakonisch den Namen des Künstlers und die Bildgattung, die hier zu sehen ist, die Fotografie. Kein Hinweis auf das, was den Künstler besonders fasziniert, was er auszudrücken wünscht mit seinen Bildern. Einfach nur: Fotografie.

Über Fotografie ist nicht einfach zu sprechen, denn es ist in vielerlei Hinsicht eine  ambivalente Bildgattung. Wenn man sich mit einem engagierten Fotografen unterhält, dann bekommt man meist seine Faszination am Technischen zu spüren. Es geht um Kameras, um Blendeinstellung, Schärfentiefe, darum, wie schwer es war, ein bestimmtes Motiv so aufzunehmen, wie es im Bild zu sehen ist etc. Heute weitet sich die Diskussion meist aus auf den Streit, ob die digitale Fotografie der analogen gewachsen sei – eine Replik auf die Mitte des 19. Jahrhunderts geführten Debatten um den Wettstreit von Fotografie und Malerei. Man wundert sich: der ganze technische Aufwand nur um ein Stück Wirklichkeit aufzunehmen? Im Grunde ist Fotografie ja eine banale Technik, ein Bild herzustellen. Denn es entsteht immer ein Bild, wenn man auf den Knopf drückt und dieses Bild zeigt genau das, was man im Sucher, auf dem Display gesehen hat, ein Stück Wirklichkeit eben. Es ist nicht immer nachzuvollziehen, warum jemand nun diesen Ausschnitt der Wirklichkeit gewählt hat und nicht einen anderen, warum jemand die Menge gerade dort ausgeschnitten und sie im Bild nicht weiter gefasst hat, warum ein Fotograf dieses Stück Straße zeigt und nicht jenes. Und hier fängt die Schwierigkeit bereits an: in der Auswahl des Stückes Wirklichkeit, das man im Bild zu bannen wünscht. Wir wissen ja, jede Fotografie ist eine Zensur dessen, was man nicht sieht. Und was man sieht, das ist nicht immer das, was man als wirklich sehenswert erscheint. Besonders auffällig wird diese Qualität der Fotografie heute durch das Internet. Das werden in den Printmedien spektakuläre Bilder gezeigt von irgendwelchen Roadies, die Wagen in Brand stecken, als Beleg für die besondere Aggressivität der Veranstaltung und im Internet kann man dann sehen, dass weit und breit niemand anderes zu sehen ist als dieser eine Brandstifter, das brennende Auto und jener Pressefotograf. Die Fotografie eines Fotografen, wie er jemanden fotografiert. Das Zentrale an dieser neuen Entwicklung ist, dass wir nun hautnah miterleben können, dass jedes fotografische Bild mit einem bestimmten Interesse verbunden ist, einem persönlichen, einem institutionellen. Beweisen, in dem Sinne, dass die Fotografie ein Stück Wirklichkeit objektiv und sachlich einfängt, kann ein Foto rein gar nichts – allenfalls das Stück Wirklichkeit, das es zeigt. Doch, warum zeigt es diese Wirklichkeit und keine andere, genauso gültige? Warum zeigt es nicht das Stück nebenan, warum zeigt es nicht das Ganze? Die Antwort liegt allein beim Fotografen, liegt allein in seinem Interesse an eben diesem Stückchen Wirklichkeit und nicht an dem benachbarten, es liegt in seiner Intention ein Bild zu machen, eine bestimmte Komposition, nach welchen Regeln auch immer, im Bild zu realisieren. So stellt eine Fotografie immer eine Synthese dar zwischen Objektivität, dem so gegebenen Stück Wirklichkeit, welches nach den technischen Regeln der Kamera einfach aufgezeichnet wird und Subjektivität, dem Interesse des Fotografen an eben diesem Bildausschnitt, eben diesem Stückchen Wirklichkeit dort in seinem Sucher, auf seinem Display. Dass so viele Fotografien gleich aussehen ist insofern kein wirkliches Gegenargument, denn die meisten Fotografen haben wenig Fantasie und wiederholen mit ihren Bildern nur das, was andere schon an Bildern produziert haben. Fotografie ist, ich wiederhole es, eine Synthese aus Objektivität und Subjektivität. Und deshalb kann ich in keiner Weise der These Roland Barthes zustimmen, die er in seinem Essay, Die helle Kammer formuliert, dass der Sinn der Fotografie darin bestünde, zu zeigen: So ist es gewesen. Vielmehr besteht der Sinn der Fotografie als ein BILD darin auszudrücken: So ist es mir erschienen. Was da zur Erscheinung gekommen ist, das eben zeigt das Bild. Und dieses Was muss nicht unbedingt das sein, was uns der objektive Tatbestand der Dinge und Menschen vor Ort vorgibt. Und noch eins, dieses Was in diesem Stückchen Wirklichkeit erscheint meist nur diesem einen Fotografen aus dieser einen Perspektive, die er gerade einnimmt. Schon der Nebenmann muss nicht unbedingt das sehen, was der Fotograf gerade wahrnimmt. Für diese So ist es mir erschienen, gilt das Gleiche wie für den Mann vor dem Gesetzt Kafkas, dem der Türsteher am Ende des Lebens sagte: „Das war nur Dein Zugang, ich gehe und schließ ihn.“ Und dieser Teil ist der Subjektive Anteil der Fotografie: das spezifische Interesse des jeweiligen Fotografen an etwas ganz Bestimmten an diesem Ausschnitt der Wirklichkeit, das sich nur ihm zu zeigen in der Lage ist, weil er eben dieses spezifische Interesse mitbringt. Kurz gesagt, eine Fotografie ist der Bild gewordene objektive Zufall. Im Bild eröffnet sich die Koinzidenz von innerer Finalität, d.i. das Interesse des Fotografen, und äußerer Kausalität, d.i. eine so vorgefundene Gestalt im richtigen Moment der fortfließenden Realität mit ihren ewig wechselnden Lichtern, Formen und Farben.

Dieser Vorlauf war nötig, um von vornherein für die Betrachtung der Fotografien von Lorant Szathmary die Erwartungen eines naiven Realismus beiseite zu schieben. Wer von Fotografien erwartet, dass sie objektiv einen Ausschnitt der Wirklichkeit einfangen, der wird von den hier gezeigten Bildern eher  enttäuscht werden, denn die Ausschnitte der Wirklichkeit die wir hier sehen, entsprechen wohl eher nicht dem, was wir als einen interessanten und spannenden Ausschnitt der Wirklichkeit verstehen. Zwei Häuschen für Einkaufswagen, Schneehaufen und Straßenlaterne  auf einem Schnee bedeckten, spärlich befahrenen Parkplatz, ein Dixi-Klo nachts an einer einsamen Wegbiegung – und das jeweils als Serie in leicht unterschiedlichen Sichtweisen, eine verlassene Küche mit roter Schraubenbox, ein gelbes Treppenhaus mit roter Decke, ein Treppengeländer im Gegenlicht eines verlassenen Industriegebäudes, malerische LPG-Gebäude.

Gemeinsame Kompositionsprinzipien:

– Stabilität durch Vertikalen

– Weite im Kontrast mit beinahe nahsichtigen Ballungen  (der Handlauf, der Schneehaufen, der steinige Bordstein)

– Kontrast von Geraden und Kurven (Der Handlauf der Treppe, die Spuren der Autos,    die Schwünge des Bordsteins); sogar in jenem geometrisch sehr strengen  Treppenhaus sind

– Menschenleere. Spuren der Menschen

Danke